Unsere Faszination - Pilze
Unsere Faszination Pilze (Fungi) bilden neben den Tieren (Animalia) und den Pflanzen (Plantae) das dritte große Reich der Lebewesen auf unserer Erde – unserem Fungiversum.
Obwohl die Pilze nach dem heutigen Erkenntnissstand näher mit den Tieren als mit den Pflanzen verwandt sind, wurden sie bis in das späte 20. Jahrhundert dem Reich der Pflanzen zugeordnet.
Bislang wurden weltweit rund 100.000 Pilzarten beschrieben. Nach aktuellen Erkenntnissen geht man von der Existenz von 2,2 bis 5,1 Millionen Arten aus. Alleine in Deutschland gibt es über 5.000 verschiedene Großpilze. Damit ist das Reich der Pilze deutlich größer als das der Pflanzen.
Die kleinsten Pilze sind mit dem Auge nicht zu erkennen, hier ist ein Mikroskop von nöten. Stellvertretend für die Winzlinge sei das Zitronengelbe Reisigbecherchen (Bisporella citrina) genannt. Dieses ist zwar nicht der kleinste Pilz, ist aber wunderschön anzuschauen und ein fantastisches Fotomotiv. Der größte europäische Pilz ist der Riesenporling, der den aussagekräftigen lateinischen Namen Meripilus giganteus trägt. Der Riesenporling kann eine Breite von einem Meter erlangen und bis zu 70 Kilogramm schwer werden.
Das, was man für gewöhnlich als Pilz bezeichnet, ist allerdings gar nicht der eigentliche Pilz, sondern lediglich der Fruchtkörper des Pilzes. Also der Apfel des Apfelbaums. Der eigentliche Pilz ist ein Myzelgeflecht, das das Substrat durchzieht und dem Auge für gewöhnlich verborgen bleibt. Mit diesem Wissen ist die Frage nach dem größten Pilz neu zu beantworten:
Der größte bekannte Pilz ist ein Dunkler Hallimasch (Armillaria Ostoyae). Das Myzelgeflecht erstreckt sich über eine Fläche von fast 1000 Hektar. Dies entspricht einer Ausdehnung von über 1200 Fußballfeldern. Das Gewicht dieses Giganten wird auf 600 Tonnen geschätzt. Der Pilz lebt seit annähernd 2000 Jahren in der Erde des Malheur National Forest in Oregon.Der Hallimasch ist damit nicht nur der größte bekannte Pilz, sondern auch der größte bekannte Organismus. Im Vergleich ist das größte lebende Tier der Blauwal, der eine Länge von 33 Metern und ein Gewicht von 200 Tonnen erreicht. Die größte Pflanze ist der Rieseneukalyptus mit einer Höhe von 132 Metern.
Ebenso imposant ist die Ökologie der Pilze. Abhängig von der Ernährungsweise von Pilzen kann man diese in drei Gruppen einteilen: Symbionten, Saprobionten und Parasiten.
Die bekannteste Form der Symbiose ist die Mykorrhiza. Die Mykorrhizapilze stellen über das Myzelgeflecht eine Verbindung mit den Wurzelenden der Bäume oder auch anderer Pflanzen her. Beide Sympiosepartner profitieren von dieser Verbindung. Der Pilz versorgt die Bäume mit Wasser und Mineralien, die der Pilz über das weit verzweigte Myzelgeflecht deutlich effektiver aufnehmen kann, und erhält im Gegenzug von dem Baumpartner Assimilate (Kohlenhydrate), die die Pflanze über die Photosynthese erzeugt. Durch den Stoffaustausch sind die Bäume deutlich resistenter gegenüber Krankheiten, Trockenheit oder Nährstoffknappheit. Die Mykorrhizapilze bilden nicht nur eine Verbindung mit einem Baum, sondern sie vernetzen sich auch mit anderen Mykorrhizapilzen und ermöglichen so auch die Vernetzung der Bäume zu einem „wood-wide-web“. Über dieses tauschen die vernetzten Pflanzen Wasser, Zucker und andere Nährstoffe aus. Auch Warnsignale, wie zum Beispiel bei Schädlingsbefall, werden über das wood-wide-web übertragen, wodurch das Ökosystem Wald effektiv auf Umwelteinflüsse reagieren kann.
Die Gruppe der saprobiontischen Pilze sind die Recycler der Natur und sind elementar für den Stoffkreislauf. Sie ernähren sich von bereits totem, organischem Material, wie z.B. Laub, abgestorbenen Pflanzen, Holz, anderen Pilze oder Dung. Ohne sie gäbe es keinen Humus und die Erde würde in meterhohen Bergen toten Holzes und Pflanzenmaterials ersticken.
Bei den parasitischen Pilzen attackiert das Pilzgeflecht noch lebende Organismen, schädigt diese nachhaltig durch den Entzug von Nährstoffen und bringt diese nicht selten zum Absterben. Bei den Holz zersetzenden Pilzen ist der Übergang zwischen parasitischer und saprobiontischer Lebensweise fließend und nicht immer klar zu trennen. Nicht nur Bäume oder andere Pflanzen sind hier die Opfer, auch Tiere, insbesondere Insekten, werden von Pilzen befallen und selbst der Mensch bleibt von Pilzerkrankungen nicht verschont.
Der Nutzen, den der Mensch aus den Pilzen zieht, ist um ein vielfaches größer als der durch Pilze verursachte Schaden. Bereits der Homo sapiens und der Homo neanderthalensis ernährten sich von den Fruchtkörpern der Pilze und machten sich deren heilende Wirkung zu Nutzen.
Der Ötzi, eine etwa 5300 Jahre alte Gletschermumie aus der ausgehenden Jungsteinzeit oder der Kupferzeit, der 1991 beim 3208 m hohen Tisenjoch in den Ötztaler Alpen gefunden wurde, führte zwei Pilze mit sich: Einen Zunderschwamm (Fomes fomentarius) und einen Birkenporling (Piptoporus betulinus). Es ist nicht sicher, ob Ötzi den Zunderschwamm zum Entfachen von Feuer oder wegen dessen antibiotischer Wirkung mit sich trug. Die entzündungshemmende Wirkung des Birkenporlings ist zweifelsfrei erwiesen. Der in dünne Streifen geschnittene Fruchtkörper wurde früher als Bandage zur Wundheilung verwendet. Heute wird er bevorzugt als Tee oder als Tinktur zum Beispiel bei Magenbeschwerden verabreicht.
Wir sammeln Speisepilze für den Verzehr, Vitalpilze für unser Wohlbefinden und Pilze für die Erweiterung unserer mykologischen Kenntnisse. Sie dienen als Fotomotive, als Dekoobjekte oder als Färbemittel. Ohne Pilze gäbe es weder Wein, Bier, Käse oder Brot. Und nicht zuletzt verdanken wir den Pilzen eine medizinische Revolution. 1929 wurde aus dem Pinselschimmel (Penicillium) das erste Antibiotika isoliert: Penizillin.